Fritz Thyssen Stiftung Journal Allgemein Virtuelle Tour durch den Sitz der Fritz Thyssen Stiftung

Virtuelle Tour durch den Sitz der Fritz Thyssen Stiftung

Der heutige Sitz der Fritz Thyssen Stiftung kann auf eine bewegte Geschichte zurückblicken: Das ehemalige Kölner Amerika Haus diente einst als Bildungsinstitut der US-amerikanischen Besatzungsmacht. Architekturhistoriker Prof. Norbert Nußbaum kennt das Gebäude wie kein zweiter und führt in einer virtuellen Tour durchs Haus.

Virtuelle Tour durch den Sitz der Fritz Thyssen Stiftung (Kurzversion, 14 Minuten, mp4)

Virtuelle Tour durch den Sitz der Fritz Thyssen Stiftung (Langversion, 21 Minuten, mp4)

„Das Amerika Haus war ein Fenster nach Amerika“, sagt Norbert Nußbaum. Filmvorführungen, Vorträge, Konzerte und eine große Bibliothek, die einst über 16.000 Bände umfasste, sollten den Kölnern hier nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs das westliche Demokratieverständnis und den US-amerikanischen „Way of Life“ näherbringen.

  • Das ehemalige Amerika Haus in den 1950er-Jahren. Foto: US-Generalkonsulat Düsseldorf

    Amerika Haus 1950er Jahre

Rund 40 Amerika Häuser wurden in den 1950er-Jahren in der Bundesrepublik gebaut, weitere zwölf gab es in Österreich. Nach dem Ende des Kalten Krieges und der deutschen Wiedervereinigung wurden diese Kulturzentren nach und nach geschlossen. Die Fritz Thyssen Stiftung erwarb das Kölner Amerika Haus 2008 mit dem Ziel, das Gebäude zu ihrem neuen Stiftungssitz zu machen. Die dafür dringend nötigen, aufwendigen Umbauarbeiten dauerten knapp zwei Jahre, eröffnet wurde der neue Stiftungssitz Anfang 2011.

  • Umbauarbeiten 2009. Foto: Eva Arzdorf

  • Eröffnungsveranstaltung 2011, Foto: Marc Darchinger

    Eröffnung 2011

Prof. Norbert Nußbaum kennt das Gebäude wie kein zweiter. Er war es, der 2009 gemeinsam mit Studierenden der Universität zu Köln das Haus vor dem Umbau genau untersuchte: „Von der letzten Steckdose bis zum letzten Fensterschlitz“, beschreibt er die damalige Arbeit. Seitdem ist der heute emeritierte Architekturhistoriker dem Haus eng verbunden. Aus dieser Forschung entstand ein Buch, welches das Gebäude in seinem kunst- und architekturhistorischen Kontext repräsentiert: „Funktionale Eloquenz – Das Kölner Amerika Haus und die Kulturinstitute der Vereinigten Staaten von Amerika in Deutschland“, unter Federführung von Sonja Schöttler, erschienen 2011 bei der Wernerschen Verlagsgesellschaft. „Es ist ein fast unglaublicher Glücksfall“, so Nußbaum, „dass ein ehemaliges Bildungsinstitut der amerikanischen Besatzungsmächte nun neu geschaffen und gestaltet worden ist durch eine forschungsfördernde Institution. Denn die Wissenschaft lebt von denselben Werten des offenen Diskurses, des Meinungsaustausches, der Pluralität der Meinungen und der regen Kommunikation wie auch der Vorstellung einer demokratischen Bildung.“

  • Prof. Norbert Nußbaum kennt das Gebäude wie kein zweiter. Foto: Tobias Schreiner

    Prof. Norbert Nußbaum

Das Stuttgarter Architekturbüro Cheret und Bozic, das mit dem Umbau betraut wurde, beförderte die ursprüngliche Bauidee ins 21. Jahrhundert: die größtmögliche Öffnung und Transparenz gegenüber der Stadt. So hatte sich der Architekt Rudolf Schickmann, der von der US-amerikanischen Besatzungsbehörde in den 1950ern mit dem Entwurf des Hauses beauftragt wurde, das Haus vorgestellt. Doch aufgrund wachsender antiamerikanischer Ressentiments in Deutschland nach den Golfkriegen wurde das damalige Amerika Haus immer mehr zu einer Festung umgebaut. „Das einst offene, riesige Eingangstor zum Innenhof war durch ein großes Fallgitter geschlossen worden“, erinnert Nußbaum, „die transparente Front des Gebäudes beinahe komplett verbarrikadiert.“ Dank der Vision von Cheret und Bozic werden heute Besucher des Hauses wieder von einer gläsernen Wand begrüßt, deren automatische Türen neugierige Blicke in den Innenhof locken.

  • Holzmodell des Entwurfs von Cheret und Bozic. Foto: Tobias Schreiner

    FTS Holzmodell

Der Hof selbst kann als „halb-öffentlich“ bezeichnet werden, sagt Nußbaum. Denn, obwohl der Hof ummauert ist und sich offensichtlich auf Privatgelände befindet, zeigt die gesamte Architektur der Hofstruktur, dass sich der Außenstehende hier „frei bewegen und entspannt aufhalten kann“. Gepflegte Grünanlagen und eine im Frühling herrlich blühende Zierkirsche machen den Hof gemeinsam mit einem Wasserspiel zu einer Oase der Ruhe – inmitten des Kölner Stadtzentrums.

  • Gang in den Innenhof. Foto: Tobias Schreiner

    FTS Innenhof

Die großen Glas- und Fassadenflächen machen das Gebäude zusammen mit seiner flachen Baukonstruktion leicht, offen und transparent. Wer genauer hinschaut, kann erkennen, dass die weißen Fassadenflächen mit einem Muster dekoriert sind, das mit einer Kellenschlagtechnik auf den Flächen gezielt platziert wurde: „Das ist ein kluger Trick der Architektur der 1950er-Jahre gewesen, der die großen Kuben und ihre Flächen entmonumentalisiert“, erklärt Norbert Nußbaum.

„Hochwertig sind dabei nicht nur die Fassaden, sondern auch der Boden: Besucherinnen und Besucher dieses Hofes gehen über einen hochwertigen Muschelkalkboden, der durch das gesamte Grundstück und sogar das Gebäudeinnere fortgeführt ist. So wird auch hier die Öffentlichkeit des Gartens und des Gebäudeinneren eins“, sagt Nußbaum.

  • Das offene Treppenhaus zur Dachterrasse. Foto: Tobias Schreiner

    Treppenhaus zur Dachterrasse

Umgeben ist der Hof von mehreren Treppenhäusern und offenen Galerien. Die Fluchttreppe des ehemaligen Kinosaals ist inszeniert wie eine große Freiplastik hinter einer Glaswand. Ein wahres architektonisches Schmuckstück, das aufgrund seiner eindrucksvollen Erscheinung nicht selten für den Eingang des Gebäudes gehalten wird.

  • Das Foyer mit Originaltreppe aus den 1950er-Jahren und Querschnitt der römischen „Via Belgica“. Foto: Tobias Schreiner

    Foyer

Wer das Foyer des Stiftungssitzes betritt, wird direkt von zwei Augenfängen begrüßt: Zum einen der großen Treppe ins Obergeschoss. Im Auge dieser Treppe erinnert ein großer, gläserner Beleuchtungskörper der Firma Artemide an die Fünfzigerjahre. Zur Rechten dieser Treppe führt ein großes Relief noch weiter in die Vergangenheit: Das Profil der römischen Heeresstraße „Via Belgica“ wurde bei Ausgrabungsarbeiten aus den Tiefen des Grundstücks ans Tageslicht befördert und erinnert nun an die Jahrtausende alte Geschichte der Stadt Köln.

  • Der Helmut Coing Saal ist der kleinere der beiden Konferenzräume und ist zum Hof hin gelegen. Foto: Tobias Schreiner

    Helmut Coing Saal

Vom Foyer aus führt der Weg am Empfang vorbei in den Mitteltrakt des Gebäudes, in dem sich einst die Bibliothek des Amerika Hauses befand. Heute kann man von diesem Mittelgang aus in zwei seitlich gelegene Konferenzräume blicken. Der kleinere, zum Hof hin gelegene Helmut Coing Saal ist benannt nach dem ersten Vorsitzenden des Wissenschaftlichen Beirats der Stiftung.

  • Der Robert Ellscheid Saal verfügt über eine aufwändige Möblierung. Foto: Tobias Schreiner

    Robert Ellscheid Saal

Der abgesenkt gelegene und größere Robert Ellscheid Saal ist benannt nach dem stellvertretenden Vorsitzenden des ersten Kuratoriums der Stiftung und engen Berater der Familie Thyssen. Dieser Raum, der direkt an die Grundstücksmauer des Gebäudes grenzt, ist ein Anbau. Flacher und niedriger gehalten, sollte er sich dem Ursprungsgebäude unterordnen, um es nicht zu dominieren. Hier treffen sich heute Fachkolloquien „in einem zurückgezogenen Ambiente, aber trotzdem mitten im Gebäude mit Blickkontakt zu allen wichtigen Räumen ringsum“, sagt Nußbaum. Als Kern des Gebäudes für die Gremiensitzungen der Stiftung ist der Raum besonders instrumentiert. „Der technische Aufwand, einen so formal aufwändig gestalteten Raum funktional auch adäquat auszustatten, war ein unglaublich hoher“, sagt Nußbaum.

Eine der bemerkenswertesten Ideen des Entwurfs von Cheret und Bozic war es, Außenraum und Innenraum kohärent zu verbinden. Durch eine Tür hinweg wird die Grundstücksmauer zu einem Ganzen verlängert und läuft so aus dem Konferenzraum nach draußen, sodass „alle Fugen und Materialien störungsfrei durchlaufen“, erläutert Nußbaum.

Im Rundumblick erfährt der Konferenzteilnehmende eine ganze Kaskade von Ausblicken: Der wichtigste Blick auf der Längsseite des Raumes geht durch Glaswände und den benachbarten kleineren Konferenzraum in den Innenhof, ein zweiter Blick in das Foyer und ein weiterer Blick bis in die Bibliothek hinein, ein letzter Blick in einen kleinen Pausenhof, der auf einer der beiden Schmalseiten direkt vor einer kleinen Kaffeeküche angelegt worden ist.

  • Durch die Glaswände der Konferenzräume können Gäste quer durch das gesamte Gebäude auf den Innenhof blicken. Foto: Tobias Schreiner

    Blick zum Innenhof

Wer an den Konferenzräumen vorbei weiter in das Innere des ehemaligen Amerika Hauses geht, merkt sofort, wo die öffentlichen Bereiche des Gebäudes aufhören und wo die internen Bereiche der Stiftung beginnen: Der Muschelkalkboden wird abgelöst von einem wohnlichen Eichenparkett, die grün-changierenden, zurückhaltenden Farben der Stiftung treten nun deutlicher an den Wänden hervor und ein großes Ölportrait der Stifterin Amélie Thyssen begrüßt die Eintretenden in der Bibliothek und dem Bürotrakt der Stiftung.

  • Bestuhlung der Bibliothek. Foto: Tobias Schreiner

    Bibliothek

Die Bibliothek des Stiftungssitzes ist eine Baukomponente, die in deutlichem Kontrast zum Rest des Gebäudes steht. Im Gegensatz zu den funktionalen Ausstattungsgegenständen der Konferenzräume befinden sich hier körpernahe Möbelstücke, die eine persönliche Atmosphäre schaffen: „Die Bibliothek dient vor allem dem persönlichen Gespräch“, sagt Nußbaum. Die Bibliothek bietet eine Auswahl von rund 1.000 Bänden, die die akademische Bandbreite der Forschungsthemen repräsentieren, die von der Fritz Thyssen Stiftung gefördert oder sogar selbst herausgegeben wurden. Insgesamt befinden sich heute rund 10.000 Bände im gesamten Gebäude.

Wer weiter in diesen Verwaltungstrakt hineingeht, wird von einer durch die grüne Wandfarbe leuchtende Geschosstreppe empfangen. Ihre Trittstufen haben keine Rückwand, die Treppe schwebt scheinbar mitten im Raum. „Diese Treppe nimmt wiederum den Gedanken auf, alle Einbauten und raumbegrenzenden oder möblierenden Teile so transparent wie möglich zu halten, wie es nur irgendwie geht“, sagt Nußbaum.

Vor dem Umbau war der hier gelagerte Bürotrakt des ehemaligen Amerika Hauses durch langen Gebrauch in einem verschachtelten und unübersichtlichen Zustand. Für die rund 20 Mitarbeitenden, die hier in Zukunft arbeiten sollten, brauchte es Platz: Ein Stahl-Glas-Anbau musste her, der sich formal zwar anlehnt an die verglasten Konstruktionen der 1950er-Jahre, aber durch moderne Materialwahl und großzügige Glasflächen ein modernes Ambiente mit Ausblicken in die Gärten des Gebäudes schafft.

  • Die Dachterrasse mit Originalhandläufen aus den 1950er Jahren. Foto: Tobias Schreiner

    Dachterrasse Handläufe

Vom Bürotrakt führt eine große Dachterrasse zurück zum Fronttrakt des ehemaligen Amerika Hauses. Die knallroten Handläufe stammen noch original aus den 1950er-Jahren, Besuchenden bietet sich hier ein prächtiger Ausblick über den Innenhof und die Grünanlagen. Eine riesige Glasfassade wurde getreu dem Original der 1950er-Jahre rekonstruiert. Bei Veranstaltungen der Stiftung können sich Gäste auf dieser Terrasse austauschen. „Praktisch ein Foyer unter freiem Himmel“, sagt Nußbaum. Kein Zufall, denn die Dachterrasse führt direkt zum größten Versammlungsraum des Amerika Hauses – dem ehemaligen Kinosaal und heutigen Amélie Thyssen Auditorium.

  • Die Farben der Bestuhlung im Amélie Thyssen Auditorium sind in changierenden Rottönen gehalten. Foto: Tobias Schreiner

    Amélie Thyssen Auditorium

Damals fanden hier politisch-gesellschaftliche Filmvorführungen, Konzerte, Vorträge und Events statt, die den Besuchern die US-amerikanische Kultur näherbringen sollten.  Heute dient der Saal als großes Auditorium, mit dem die Stiftung an die Gesellschaft herantritt, um die wichtigen Themen der Forschung und der Wissenschaft in den öffentlichen Raum zu vermitteln. Bei den größten Veranstaltungen finden hier bis zu 140 Gäste Platz.

Für den Umbau des alten Kinosaals wurde nicht an technischen Finessen gespart: Wo ehemals die Projektoren des Kinos ratterten, finden wir heute Dolmetscherkabinen für internationale Veranstaltungen; ein Projektor wurde aufwändig in die Decke des Raumes eingebaut, der verborgen ist und bei Bedarf automatisch aus seinem Verdeck herabgesenkt werden kann. „Eine Betondecke dieser Tragfläche an dieser Stelle aufzulösen, um diese Apparatur zu bewerkstelligen, bedeutete einen extrem hohen Aufwand“, erinnert sich Nußbaum.

Wer verstehen will, mit wie viel Liebe zum Detail die Umbauten des ehemaligen Amerika Hauses vorgenommen wurden, kann all dies im Auditorium sehen. So wurde nicht nur die Bühne umgebaut und modernen Verhältnissen angepasst, die hölzernen Schalllamellen des alten Kinosaals wurden aufwändig rekonstruiert. Die Farben der Stühle sind in changierenden Rottönen gehalten, die sich auch in den zurückliegenden Fonts der Eichenpaneele wiederfinden. Diese sind selbst nicht im selben Abstand zueinander, sondern in wechselnden Intervallen installiert. „Dadurch entsteht für das Auge eine Art Wellenbewegung an der Wand, die wiederum zurückgreift auf die ursprünglich sehr stark organisch gestaltete Wandabwicklung des alten Kinosaals“, sagt Nußbaum.

  • Der Einbau eines großen, hofseitigen Fensters in die Wand des ehemaligen Kinosaals war eine besondere Herausforderung. Foto: Tobias Schreiner

    Fenster Auditorium

Die größte Herausforderung für den Umbau war jedoch das Versehen des Auditoriums mit einem großen, hofseitigen Fenster. Dieses Fenster war erforderlich, weil das Auditorium seine Funktion wechselte. Es war mal ein geschlossener Kinosaal, jetzt umgewidmet in eine Versammlungsstätte. „Damit war ein offener Blick in den Hof mehr als wünschenswert“, sagt Nußbaum. Die Problematik bestand jedoch darin, eine große, gegossene Wand mit einem sehr langen, flachen Fenster auszustatten, ohne dass diese Wand kollabieren würde.

Trotz oder gerade wegen dieses Aufwands stellt das ehemalige Amerika Haus heute ein ganz besonderes Stück Architekturgeschichte im Herzen Kölns dar, erklärt Professor Nußbaum: „Wer dieses Gebäude verlässt, der geht wieder in die Stadt hinaus mit dem sicheren Bewusstsein, ein offenes und einladendes Gebäude erfahren zu haben. Und das ist exakt die ursprüngliche Bestimmung dieses Hauses gewesen, die durch den Umbau durch die Fritz Thyssen Stiftung in das 21. Jahrhundert transportiert worden ist.“

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